Dazwischen
Freitag, 3. Oktober 2025

gähn

Ich glaub fast immer, Du hältst mich für an Nebochant. An guten Tagen kümmert mich das nicht schlimm, da hoff ich, meine Paranoia ist einer schlechten Stimmung, oder viel zu spärlicher Nachruhe entsprungen, ich ignorier' den Umstand sodann gekonnt, dass ich, für mich, überzeugt davon bin, nebochant zu sein, weil ich nicht mal weiß, ob das als Adjektiv oder Nomen verwendet wird, und warum ich mich nie dafür interessiert hatte, das und die Adverbien zu verstehen.

Ich lerne schon lange nix mehr. Das letzte Mal hab ich drei Monate Zeit gehabt, in der Früh eine Kanne Pfefferminztee auf den Ofen gestellt und den restlichen Tag davon und von meinen Unterlagen gezehrt, bis ich am Ende die Beste war, bei er Vorprüfung, bei der, auf die es angekommen ist, weil jeder einzelne der Anwesenden mich bis zu dem Moment komplett unterschätzt hatte. Ich liebe die Gesichter, wenn sie draufkommen, dass es leichter ist, sich dumm zu stellen, als umgekehrt. Aber gut, ich mache das nicht aus Berechnung, wie oben beschrieben, glaub ich erstens ganz intern in mir, dass ich ein Taugenichts bin, und zweitens lerne ich ja nie irgendwas, weil dass ich drei Monate Zeit hatte, Tee zu kochen und die Bücher aufzuschlagen, ist über eine Dekade her, was ich damals wußte, hab ich irgendwo vergraben.

Nicht tief, eh, so unter dem Sand, den das Meer anspült, wenn die Gezeiten kommen, der Sand, der dann in so Wellen da liegt und einem ein schönes Gefühl gibt, dass alles zwar seltsam, aber regelmäßig sein wird, schön rund und smooth, nur trotzdem nie langweilig. Wie man sich halt das Leben erträumt, insgesamt. Oder man, ma was schreib ich da, wie ich es mir halt vorgestellt hatte, einmal, als ich am Pazifik gestanden hab und dachte, ein Ozean ist etwas, das man nicht vergessen wird können.

Ich geb hier mal einen Absatz herein, damit jeder sehen kann, wie strukturiert ich bin. Ist aber nur erfunden, mein Chaos ist endlos, wie meine Zuversicht, und beides vermutlich auch einer Paranoia entsprungen, einer absurden Einstellung zu dem Wesen der Dinge, dass sie alle, jede einzelne Ausbeulung Sand am Strand, wenn dass Wasser sich zurückgezogen hat, für eine Weile, in sich sinn-haft sind, oder das einmal sein werden.

Meine Augen schmerzen, ich hab lang nicht mehr in die Ferne geschaut, an einen Horizont, wo ein Schiff verschwindet, das langsam in den Sonnenuntergang fährt. Der Sonne entgegen, davon haben wir geträumt als Kinder, sie sind gesegelt und es war schön. Abenteuer und Frieden, wenn sich das mal nur nicht ausschliesst! Wussten wir damals nicht, war immer so, es gab keine Gewissheiten, wir hatten ja noch nie drei Monate Zeit gehabt, etwas zu lernen, unser gesamtes Dasein bestand darin, der Zeit beim Vergehen zuzuwinken und dabei alles zu lernen, was wir wissen mussten. Radfahren und Rollschuhfahren, die Katze begraben und Klavier spielen.

Wir haben uns gestritten, die Knie aufgeschlagen und dann wieder gemeinsam gegessen. Langsam war die Welt, Wickie ist erstmal fünf Minuten über das Meer gesegelt, bis das nächste Abenteuer begann oder Flake in Sicht kam. Es war nicht so, wie es heute ist, drei Monate, ich vertipp mich immer und schreib Montage, und das ist es, es sind Montage geworden, die ganzen Tage jeder Woche, sieben Montage, immer im Radel, Montag auf Montag auf Montag. Mir fallen Filme ein aus meiner Kindheit, und ich weiß auf einmal, dass die grauen Männer einen Plan ausgeheckt haben, der perfider nicht hätte sein können. Sie haben uns versprochen, dass wir bunte und schillernde Abenteuer erleben werden, wie Wickie und sein Vater; auf Fuchur durch die Lüfte fetzen; das Feuer der Freude und Erfahrung bändigen werden und und damit gefahrlose, doch aufregende Leben zu ermöglichen, wenn wir ihre Angebote annehmen.

Absatz. Augen zu. Ich bin so müde, meine Zeit ist gekommen. Ich erzähle Euch das trotzdem noch schnell fertig.

Die grauen Typen haben uns erzählt, dass wir glücklich werden, wenn wir ganz viel lernen, und aufhören, Nebochanten zu sein. Dann haben sie Abzeichen erfunden, für Leute, die nicht nebochant sind, manchmal schaut das aus, wie ein Urlaubsfoto, manchmal ist das nur die Erzählung davon, wie schön es am Wochenende beim Skifahren war, oder auf einem riesigen Fest mit viel Alkohol und Zeug, und wir alle merken dann irgendwo im Thrill-Muskel ein Ziehen, gehen heim, drehen den dunklen Altar auf 'on' und das Lagerfeuer flackert in unsere Wohnzimmer, oder Bernd das Brot, dieser kleine metaphysische Prophet, der es immer schon gewußt hat, dass es kein Leben im 16:9 Format geben kann, oder ein Rennen, wo die wildesten Kerle sich Abhänge hinunter stürzen, immer ärger, immer gefährlicher und tödlicher, damit wir, daheim, nicht bemerken, dass die grauesten Männer aller Zeiten uns unsere Abenteuerchen viel zu teuer verkauft haben, mit denen wir den Nachbarn erschrecken, der stantapede ins Reisebüro hechtet um ja mitzuziehen. Meine armen Kinder, die erleben ja nix.

Der grauen Garnison ist irgendwann aufgefallen, dass noch nicht jeder fix am seidenen Faden der Vorstellung, er wäre lebendig, hängt, manche echt die Lust verloren haben, dem Gott der flackernden Bilder zu huldigen und der Fernseher manch Menschem begann, schal zu erscheinen, da kam, wie aus einer Zauberhutmanufaktur das nächste heiße Scheisserlein: Unsere Computer wurden tragbar und tragbarer, eine große Freude, jetzt hängt jeder dran, ohne Ding kein Denken mehr drinnen.

(Exkurs: ich öffne kurz das Fenster, weil die frische Luft, die ich für die letzten Meter brauche, einige sein wird, je kälter, desto besser. Kalt und klar.)

Klar? Wir vermissen das Wilde, die Natur, habt ihr schonmal erlebt, dass ihr vom Wetter deprimiert ward? Habt ihr das Gegengift getrunken und seid ihr mit Regenpellarine, dickem Wintermantel und Haube, oder nur einem Hauch von Nichts und Flipflops bekleidet einfach raus gegangen und habt euch der Realität gestellt, und deswegen verstanden, dass es keine bessere Heilung gibt, als diese? Man muss ja nicht jedes Wetter lieben, aber das Wetter kann man nicht weg ignorieren.

Das seelische Klima ist ein subtiles Ding, dem es hilft, wenn es nicht alleine ist, mit seinen Empfindungen. Wenn der Herbst kommt, der Hochnebel einsetzt, oder der Frühling kickt, und man dick und alt und einsam denkt, einen wird nie wieder ein Männchen anschauen, bestimmt, dann ist unerlässlich, sich zu verbinden, mit der Welt und dem Zustand draußen, und hier mein Dogma: 'Schau Dir den Baum an.'

Oder eine Blume. Beweg dich physisch wo hin und dein Geist kommt in Schuss. Und wenn das Abenteuer so klein ist, es ins nächste Geschäft zu schaffen, und ein Brot zu kaufen, dann tu das, weil am Weg begegnet Dir eine Krähe, vielleicht, oder du steigst über drei Ameisen, die -in a rush- versuchen, im Dschungel zu überleben. Du musst die nicht einmal bemerken, alleine, dass sie anwesend sind, draußen, macht etwas. Mit Dir und Deiner Sehnsucht. Nach Abenteuer, nach Sinn, nach Verbundenheit und Eingebunden sein.

Wenn uns die grauen Männer vor Dinge gesetzt haben, die uns diese 20 Prozent Abenteuer, die fehlen, ersetzen, und wir mit den 80 Prozent bezahlbaren Pseudoabenteuern, die wir bestellen oder sonst wie konsumieren, zufrieden sind, haben sie gewonnen. Sie werden die Grenzen immer ein bisschen weiter verschieben, und weiter, bis zu 90% Flackern des Altars und 10% Gaukelei einer Erfahrung, die gar keine mehr ist.

Ich habe das Reisen so gut wie eingestellt. Beruflich fahre ich noch weg. Ausnahmsweise mal. Ich werde wieder zu lernen beginnen, in meiner neuen Wohnung wird es niemals einen Fernseher geben und ich habe einen Knopf, mit dem schalte ich das Wlan jetzt öfter einfach mal aus. Nebochant bin ich geworden, viel zu viel. Dass ich das erkannt hab, ist ein Anfang, weil die Müdigkeit, die von Fake-Freude erzeugt wird, so unendlich ist, dass schlafen das einzige ist, dass

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