Dazwischen
Bitte melden Sie sich zuerst an.
Montag, 27. Oktober 2025

Log 47 / Tag 3 des großen Krieges

Es ist 4:48h und ich setze mich zum Rechner. Gefrühstückt, Sport gemacht und geduscht hab ich schon. Jetzt nur den Rest des Kaffees, eine Tasse Tee, die Stille und ich.

Will euch etwas erzählen, das hat mich gestern erstaunt und zufrieden gemacht.

Ich sitze jetzt oft auf O's kleinem, orangefarbenen Fauteuil, der in der Wohnzimmer/Schlafzimmer/Küchen-Kombi vor der Balkontüre steht, und schaue einfach hinaus. Die Aussicht ist sehr befriedigend, Visavis steht ein modernes Haus, bei dem der Architekt sein Gehirnschmalz eindeutig gut eingesetzt hat. Es ist in angenehmen Farben gehalten, ein erdiger, warmer Grauton dominiert, dazu etwas weiß und grau und schwarz, nix glänzendes oder hartes, alles dezent und natürlich, aber eckig und funktional, also sehr im Hintergrund. Die Terrassen und Balkone sind auf eine Art und Weise begrünt, dass mein Herz einen Sprung macht vor Freude, jedesmal wenn ich rüber schaue. Ganz oben haben die Menschen, die dort wohnen, um ihre Brüstung diese Bambusmatte gespannt, die ich eigentlich nicht mag, aber als Kontrapunkt zu der unaufdringlichen Architektur passt es super, es steht ein wunderschöner Baum dort, dessen weiße, große, doldenartige Blüten den ganzen Sommer über sanft im Wind gewogt haben und der sich nun herbstlich verfärbt. Das Weinlaub ist auch schon knallrot und fällt wie das Haar eines Riesen ein, zwei Stockwerke nach unten. Die Farben, der Himmel darüber, die Krähengeschwister und der Wind, ich kann wieder einfach nur so schauen. Den Gedanken ihren Weg lassen.

Der Sturm der letzten Tage hat auch den Vögeln Energie gekostet, die Krähen sind noch fordernder als üblich, bei der Nachbarin, die sie jeden Abend füttert.

Als ich nun gestern am Sessel saß, so vor mich hin sah, bemerkte ich eine Taube, ihr mit-dem-Wind Flug erinnerte mich an etwas, ein Gefühl, ein, nicht greifbares Ding in meiner Brust, die Sehnsucht danach, fliegen zu können, durch den Himmel zu gleiten, aus eigener Kraft und aus eigenem Antrieb, doch getragen und dirigiert von einer Macht der Natur, deren Größe meine um Welten übersteigt.

Der Traum unlängst, in dem ich Psychokinese beherrschte, fiel mir wieder ein.

Den Gedanken nahm ich mit, zur Straßenbahnstation auf dem Weg in die Arbeit. Das Display der Wiener Linien war, wie mein Straba auch gewesen war, zweistellig, ich nahm auf dem Bankerl Platz, drehte mein Gesicht in die Sonne und schloss die Augen. Meine Earpods hatte ich nicht mit, da ich kurz zuvor, beim Pullover anziehen eine große Zielgenauigkeit bewiesen hatte und auf dem Esszimmertisch, der nicht klein ist, genau den einzigen Gegenstand erwischte der dort stand, das volle Teehäferl, in dem der Pod mit einem Glucksen versank.

Jetzt liegt er in einer Schale mit Reis, aber ich habe nicht mehr viel Hoffnung.

So allerdings, ohne Musik im Ohr, was ein Wink des Schicksals war, lies ich meinen Gedanken erneut freien Lauf und der Vogelmann kam mir in den Sinn. Ob ich ihn jemals wiedersehen würde. Ob ich dann in Ohnmacht fiele, oder vom Sessel oder so was in dieser theatralischen Art und Weise. Ich stellte mir vor, er würde sich neben mir auf die Parkbank setzen, vielleicht 'Hi' sagen, vielleicht einfach gar nix, und prüfte meine potentielle Reaktion. Was mich dann erstaunte, war diese Natürlichkeit, die in mir erschien, ich glaub, ich würd nicht viel sagen, vielleicht auch einfach gar nix. Ihn anschauen, lächeln würd ich ihn, es wäre eh alles klar.

Und da wußte ich auf einmal, was es für einen Menschen, einen reifen, seelisch entwickelten Menschen bedeutet, zu fliegen. Es ist kein ausschließlich physisches Ding, wie bei den Vögeln, dem Himmel, der Schwerkraft und dem Wind. Es ist auch eine geistige Einstellung, sich von etwas leiten zu lassen, das da ist, dass man nicht lenken und beeinflussen kann, es ist der: go with the flow.

4:48h bedeutet 2025 nicht mehr psychosis. Bin um 21:11h schlafen gegangen, das nennt man, wenn, dann: senile Bettflucht, aber ich sehe heiß aus, in meinem Second Hand Armani Etuikleid und den dezent schimmernden, schwarzen Leggins. Strumpfhosen in diesem Leben nicht mehr. Aber Leggins und Socken, passt schon. Meine Augen werden schlechter, aber meine Fähigkeiten immer größer. Es gibt eine Menge Menschen, die ich sehr gerne habe, und die gerne ein Stück mit mir gehen, der Krieg wird heute nicht beendet, denn ich habe noch nicht gesiegt.

Wer alles kontrollieren möchte, wer glaubt, die Welt hat um die eigenen Vorstellungen zu kreisen, wer fliegen muss, die Umwelt belasten, ja, zerstören, nur damit er oder sie dem Himmel nahe ist, hat die Botschaft unserer gefiederten Freunde einfach nicht kapiert. Abheben kann man innerlich flüssiger, keine Warteschlangen, kein schlechtes Gewissen, kein verlorenes Gepäck und genervte Ureinwohner anderer Landstriche.

Got it? Go!

Sie sind nicht angemeldet