Dazwischen
Donnerstag, 17. Juli 2025

Nach Mitternacht geistern

Hatte eben, leicht schlaflos, noch große Lust, eine Runde durchs Schloss zu drehen. Bin runter, habe eine Zigarette 1 geraucht, und es beschlich mich, als ich meine Motive erforschte und nicht viel finden konnte außer einem gewissen Hunger nach Input, der Gedanke, dass mich vieles hier an meine Jahre als Studentin auf der Kunstuni Linz erinnerte. Was leicht absurd erschien, im Augenblick, da es, auf den ersten Blick, kaum Gemeinsamkeiten gibt mit der Zeit um das Jahr 2000. Ich betete in Gedanken ein Vater unser, ein meditativer Moment, um den Gefühlen wie Angst vor Endlosschleifen und weirden Möglichkeiten unsere und meine Zukunft betreffend ihren Rang zuzuweisen, und ging leise, in der Dunkelheit, die paar Stiegen hinauf zur Türe.

Vor der Rezeption brannte Licht, ich denke das leuchtet die ganze Nacht hindurch, um verirrten Heimkehrern, die auf das zum Glück kaum vorhandene Angebot, nachschwärmerisch tätig zu werden erfolglos einzugehen versucht haben; oder Menschen, die nicht schlafen können, kurz dem Plätschern im Hof lauschen, die Sterne betrachtend oder die richtig befreiende Stille genießend dann doch müde geworden sind, den Weg zu weisen, weswegen ich auf einem kleinen Tisch eine Zeitung liegen sah, die mein Interesse weckte.

Sie ist nicht vollständig, was da war, habe ich gelesen, mit großem Interesse und wachsender Begeisterung, es ist der Bericht einer Universität aus der Hauptstadt, die hier im Ort seit zweienhalb Jahren etwas machen möchte, das bereits tut, nicht nur für die spezielle Gegend an sich, sondern im Sinne: forschen, erneuern, erhalten, verbindend verändern, neu denken; und sich in einer, momentan (oder immer schon) sehr stark verändernden Welt mutig entgegentretenden Weise zu nähern, als Blaupause für zukünftiges Leben im ländlichen Raum.

O und ich wurden mit offenen Armen empfangen, konnten förmlich spüren, dass hier etwas keimt.

Letzten Sommer waren wir zu zehnt hier, Oma und Opa plus Kinder, Schwiegerkinder und Enkeln, und es war unser schönster Urlaub bis jetzt, so viele, doch unterschiedliche Interessen und Charaktere unter einen erfreulichen Hut zu bekommen, war uns davor nie recht gelungen, auch weil wir ja zusammen arbeiten und der (durchaus auch postive) Stress dann nachwirkt, nicht gleich abfällt, den einen oder anderen seltsamen Moment aufwirft, der dann, ganz gewohnheitsmäßig, immer mit den alten Strategien aus dem Alltag in einem kleinen Betrieb beantwortet wird, von jedem von uns, außer den Kindern, die jedoch viel mehr spüren und zurückspiegeln, als einem manchmal lieb ist.

Hier war das nicht so, wir hatten drei verschiedene Quartiere, Großeltern im Schloss, wir in der Pension, Brudi und Familie am Campingplatz. Irgendwie dachten wir, das wäre der Schlüssel gewesen, für das Gelingen, und weil es so schön war, sind O und ich heuer, zugegebenermaßen auch mangels vernünftiger Alternativen, wieder hergefahren. Das Kind wollte unbedingt, ich alter ... hätte es ja fast im letzten Moment storniert, nun bin ich froh und, cheesy aber wahr: beseelt, dass wir es gemacht haben. Aber es war mehr als das.

O wurde heute abgeholt um Zeit mit seinem besten Freund verbringen zu können, die Sehnsucht war auf beiden Seiten enorm. Und Freundschaft stehe ich nie im Wege. Wie könnte ich. Außerdem sitze ich jetzt hier im Bett, langsam müde werdend und geniesse es, mit mir alleine zu sein, an solch einem besonderen Ort.

Wir waren wandern, wurden von einem extra netten Einheimischen gerettet, eine längere Geschichte, vielleicht morgen mehr, haben einen Kiosk-Besitzer kennengelernt, der mir kulinarische Inspiration geliefert hat, die unerwartet und schräg war, doch ein zukünftiges Highlight meiner Ernährung werden wird, dazu auch einmal mehr, später, ein möglicherweise wunderbares Freibad aus den Siebzigern schwer betrauert, das uns letztes Jahr noch mehr als erfreut hatte, und nun, wie es scheint, monetären und politischen Allüren zum Opfer fallen könnte, waren phantastisch essen, ein Tafelspitz als Challenge für O, und fast hat er die riesige Portion auch geschafft, eine Pizza von der ich träumen werde, vielleicht krieg ich mal wieder eine, Stichwort Zitronenzesten und eine Flasche Wein, die ich so mag, dass ich mir den Rest für morgen aufgehoben habe, ausserdem, jeden Tag trinken passt lange nicht mehr in mein Lebenskonzept.

Heute Regen, Regenbogen, Eis vom Adeg, das Kind war alleine im Ort Semmeln für das Mittagessen kaufen, ich habe so gut geschlafen, wie schon lange nicht, dem O seinen allerersten, mit Schneekönig-Freude bemerkten Pickel bewundert 'Endlich bin ich ein Jugendlicher, Mama!' und mir tausend Geschichten über eine gewisse Sportart angehört, die erst ab 13 Jahren erlaubt ist, aber eingeschlagen hat wie Bombe, in seine Phantasie. Er hat ins Gästebuch mit seiner mutigen Handschrift Lobpreisungen gekitzelt, vor seine Abreise, das Personal gelobt und meiner Meinung nach könnte das eventuell als Beleidigung gedeutet werden, da die hier anwesenden Verantwortlichen mehr sind, als diese Bezeichnung vermuten ließe. Aber er ist ein Kind, sie werden es aushalten, haben ihn kennengelernt.

Wir haben bis aufs Messer gestritten, er und ich, auf Grund meiner Geschichte habe ich ein sehr schwieriges Verhältnis zu pubertären Individuen, und da er sich sicher ist, mir alles sagen zu können, macht er das auch pausenlos, meine Grenzen waren oft erreicht, vor allem Abends, als ich nur raus wollte, auf die Terrasse, die Sterne betrachten und mit weiteren interessanten Menschen reden.

In der Küche, die hinter den Aufenthaltsräumen liegt, entdeckte ich eine Thermoskanne mit Kaffee, der Möglichkeit, sich einen Tee zu machen und kühle Getränke zu kaufen, ich rettete ein Servierwagerl mit Holzintarsien vor dem Ertrinken, da jemand die Pflanze sehr gut gemeint gegossen hatte, mir als Handwerkerin solch ein Überschwang in Verbindung mit mühevoll hergestellter Kunst im Herzen weh tut, machte ein paar kleine Filme von einem Sonnensegel und viele Fotos, grün und grau, Bäume, Wiesen, Mauern und Stein, und von einem Jungen, der mit einem Erfrischungsgetränk in Bierfalschenoptik eine Freude empfand, die dem Pickel um nichts nachstand. Das kann ja noch heiter werden.

Es gab sogar eine Koinzidenz oder zwei, dazu später auch mehr, langsam werde ich müde und Ihre Aufmerksamkeit eventuell ebenso, eines noch: Ich hab auf der Terrasse mein Handy liegen lassen, als es an der Tür klopfte und ich es zurück bekam, war mir gar nicht aufgefallen, dass es nicht in meiner Reichweite gewesen war. Das ist, für mich, ein Zeichen, dass dieser Ort eine gewisse Magie ausübt, denn das Smartphone und ich sind wie Luke Skywalker und seine Armprothese, Linus und sein Tuch oder Monkey D. Ruffy und sein Strohhut eine Allianz, die, sind wir uns ehrlich, öfter mal gebrochen gehört, for the sake of everybody, vor allem meinem eigenen Seelenheil.

Gestern, als ich noch eine Zigarette 1 mit der Direktorin geraucht habe, erzählte ich von meiner Arbeit, und wie schwer es mir manchmal fallen würde, meine Ideen nicht selbst bis zum Ende zu verfolgen, sondern sie wie kleine Körner in die Welt zu werfen, um zuzusehen, wie sie sprießen, als schönere Ergebnisse heranwachsen, als ich sie je hätte selbst produzieren können; dass es meinem Ego oft einen Stich versetzt, ich mich anstrenge, und doch immer weiß, nach einer Schrecksekunde des Schmerzes im verhinderten Künstlerleben, dass ich niemals diese Ideen hätte groß werden sehen können, hätte ich sie für mich behalten, denn der Spruch stimmt: Die Summe ist mehr als die einzelnen Teile, und wer Ideen loslassen kann, wem es ein Grinsen aufzieht, wenn sie an den unerwartetsten Stellen zu etwas werden, das man nie geahnt hatte, nicht hätte bewirken können, so sehr man sich auch angestrengt hat, wird belohnt, mit diesem gewissen Funken, der die Existenz so spannend macht. Das zusammen Gedachte, wie Pizza mit einer kleinen Spur sauer, eine Serie an Telefonaten, bis alle an Bord sind, damit zwei Freunde gemeinsam die Welt erobern können, oder zumindest halb Wien, einem dringenden Tränenstrom, der im, im bewölkten Himmel entdeckten Walfisch und einer Erinnerung an das Wunder, denjenigen zumindest kennen zu dürfen, der dem eigenen, seltsamen Wesen an Nächsten hätte sein können endet, dem lachenden Vater des Kindes am Telefon, als sie gut angekommen sind, trotz der enormen Anstrengung hoffentlich eine gemütliche Nachruhe haben werdend, dem Drang, rauszugehen um etwas zu finden, und durch das sich nicht kaprizieren auf ein bestimmtes Ergebnis dann zum Ergebnis zu kommen, ist schon super. Das mag ich.

Den Ort auch. Und, bevor ich jetzt kitschig irgendwas zu faseln beginne, geh ich schlafen, auf das Frühstück freue ich mich besonders. Und das Thayabad morgen, oder, wenn ich vielleicht, unter Umständen, meinen Aufenthalt verlängern werde bis Sonntag, dann auf das Thayabad am Samstag, da ist das Wetter besser, und morgen auf: schreiben, reden, zeichnen und Wein trinken. Käse essen, auf der Terrasse sitzen, unter dem Sonnensegel, und an alte Zeiten denken, kurz, nur so, den Spirit atmen, vielleicht mit einem besseren Vertrauen, als damals. Ja, die Welt ist am Arsch und die Menschen sind schlecht, aber Wolfgang Herndorf hat schon auch recht, man begegnet oft dem einen Prozent der Menschen, die gut sind, wenn man raus geht. Naiv oder nicht, ein Vater unser später lege ich wieder, was kommt, in größere Hände und Wege, gebe mein Bestes und jetzt der Müdigkeit nach. Salü!

1 Zigaretten sind Mist, ich höre bald wieder auf damit.

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