Dazwischen
Dienstag, 5. August 2025

Gedanken

Für meinen Teil denke ich: es gibt das Wissen um die Realität: Wasser ist nass. Das Leben endet, wenn der Körper nicht mehr funktioniert. Wenn ich was Gutes esse, fühle ich mich wohler, als wenn ich Verdorbenes essen muss.

Dann gibt es den Glauben, verordnet von Religionen, Staaten, der Macht: Ablasshandel, um sich von Sünden frei zu kaufen, dreimal pro Tag beten, Geld macht glücklich, du bist deines Glückes Schmied.

Die dritte Art ist Form ohne System. Eine Art, zu leben, die über Wissen, über (aber)gläubisches Handeln der Religionen und anderer dogmatischer Formen des Zusammenlebens hinausreicht.

Das glaubende Wissen um die Würde und den Respekt, die jeder Existenz innewohnen und ihr gebühren.

Wissen kann man verifizieren, erforschen, in Frage stellen, darauf aufbauen.

Aber-Glauben kann man beweisen, mit Brief und Siegel und tausend Lügen.

Das glaubende Wissen hingegen besteht aus Vertrauen und stetiger Tätigkeit, ist oben offen und wurzelt auf felsenfestem Grund. Wie eine:r dorthin kommt, rätselhaft, schmerzhaft und bitterlich hart. Und dann plötzlich leicht. Und dann extrem schwer, leicht, schwer, und so weiter. Wenn es Teil des eigenen Lebens geworden ist, gibt es keine Angst, nur Schmerz und Freude, Leid und Glück, Liebe, Verständnis und Loslassen von Sturheit. Kein Teil mehr, es ist das komplette Leben.

Hass ist ein Zeichen des unentwickelten Geistes, der das Falsche tut, weil er die erforschte Realität und das abergläubische Vermuten einer, wie auch immer gelagerten, Erlösung mit den Möglichkeiten verwechselt, die hinter Statussymbolen wie ‚brav gläubiges Leben‘ ‚teure Uhr‘ oder ‚Doktortitel‘ liegen. Er ist auf halbem Wege stehen geblieben. Das gläubige Wissen ist keine Blasphemie, es ist der Endboss, das letzte Level vor dem allerletzten. Je länger man es leben kann, desto besser, für alle, einen selbst eingeschlossen. Es pulsiert, gähnt, heult und heilt, kichert und liebt. Es freut sich, bereut, bittet um Verzeihung und ist jede Minute bereit, abzutreten. Es ist.

Samstag, 26. Juli 2025

Es wird keinen zweiten Teil des Reise-Berichts geben. Ich habe keine Zeit. Es war magisch, so gut schreiben kann ich nicht, das in Worte zu fassen. Versuchen mag ich es nicht, die Welt ist so voll mit Dingen, die es zu erleben gibt, zu hören, sehen und fühlen. Gerade sagte Karl Markovics in meinen Kopfhörer 'Passen Sie auf sich auf, und auf Andere.' und Klaviermusik setzte ein.

Auf Andere aufpassen, und sich selbst dabei nicht verleugnen, eine Gratwanderung, das Wichtigste, das Beste, mein Sinn.

Hier sitze ich nun, alleine, habe gegessen, was ich essen wollte, gebratener Radiccio und viel Knoblauch haben eine bedeutende Rolle gespielt, Erdäpfel und Käse waren die Antagonisten, das Zugeständnis an die Gewohnheit, wie schön ist es, sich zu entwickeln. Unter Rückschritten weiter zu gehen. Möglicherweise gäbe es sinnvollere Wege, die ich hätte gehen können, von Beginn an, nur, ich bin sie halt nicht gegangen und jetzt viel drüber nachzudenken wäre verschwendete Energie.

Manchmal bin ich hart an der Grenze des Bedauerns, Gottseidank dauern diese Momente sehr kurz, und mich hinlegen und einschlafen hilft so gut wie immer dagegen. Wenn es ein Fehler war, sich irgendwann als grobe Mißinterpretation meiner Möglichkeiten und Lage erweisen sollte---

---hab keine Lust, das zu schreiben, ich mag was erleben. Raus gehen, Menschen treffen, mich messen und lachen, Geschichten hören, trösten und fleißig sein, freundliche Nasenlöcher machen und mutig auch mal grantig sein. Je nach Bedarf. Ich mag keine Statik mehr in meinem Leben, Konstanten sicher, Häfen, aber keine Mauern, wie in einem Gefängnis, mit einmal Hofgang pro Woche und nie Himmel oder Wald.

Mir ist übel vom Knoblauch, hab keine Nerven, die Brille zu putzen und starre, ohne sie, auf verschwommene Buchstaben, sehne mich nach Deinem Lachen und der erhobenen Augenbraue und bin trotzdem so gut alleine. Das bin ich, hier und im Urlaub gewesen, so eine schrullige ältere Frau, leicht mollig, immer zu freundlich und bedürftig nach Austausch wirkend, gleichzeitig pausenlos bereit, sich zurückzunehmen, weil mir mit mir nicht langweilig wird. Das Bild, dass die Menschen, die ich treffe, zurückspiegeln, beginnt mir zu gefallen. Mehr und mehr, die unbändige Liebe in manchen Begegnungen, die Heiterkeit und Ernsthaftigkeit. Das Erstaunen und auch die Ablehnung. Es passt mir.

Dienstag, 22. Juli 2025

Erster Teil - Reisebericht Drosendorf

Ich erzähl' Euch was.

Die Einleitung ist mir gerade in die timeline geflattert:

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Lest das, sonst können wir hier nicht weitermachen. Es ist eine Variante meiner vergangenen Woche, statt Raumschiff ein Renaissance-Schloss, statt unendliche Weiten Wälder, statt der nächsten Spiral-Galaxie ein wildromantischer Fluss und anstelle eines Bordcomputers zum verlieben einem Team angemessen professionell distanzierter, gleichzeitig gerade schön das eigene Herz durchschimmern lassenden vor Ort Verantwortlicher.

Die kulinarischen Wunscherfüllungen aus dem Replikator manifestierten sich als fantastische Pizza mit dem gewissen Kick, das Herz erfreuendem Salat mit dreierlei Ziegenkäse und einem Griesspudding aus dem Himmel, der, vom Bord-Nerd aus Spaß gebaute kleine Roboter ohne spezielle Aufgabe, dafür mit umso mehr ausgelöstem Grinsen bei jeder zufälligen Begegnung als vornehm benannter Windhund, die Begegnungen am Lagerfeuer als diplomatische Gespräche mit Bewohnern fremder Planeten, und einer intellektuellen Idee, die in einer Übergabe, Tränen und künstlerischem Zeitvertreib ihre Vollendung fanden.

Ich war im Schloss und Ort Drosendorf an der Thaya, nahe der tschechischen Grenze, im oberen Waldviertel. Nageln Sie mich noch in zwanzig Jahren drauf fest: Das war der beste Urlaub meines bisherigen Lebens. War in Mexico, Neuseeland, New York und Dresden, Prag, Leipzig und Vicenza, um nur einige zu nennen, es kommt nicht auf den fancy Ort an, es kommt auf 1. die Mission und 2. die Fähigkeit, sie wahrzunehmen an, glaub ich mittlerweile, und das sind Dinge, die kann man nicht kaufen, weder mit Tickets, noch mit Nächten.

Ich liege auf einer Wolke aus Polyester, die hab ich beim Versandhandel bestellt, und berichte:

Vor vielen Jahren sang ich ein Lied.

Heute war kein guter Tag Einer den ich gar nicht mag Und ich weiß es werden weitere folgen Grau in grau Du sagst immer Schau dir den Baum an Manchmal auch Entspann dich doch Doch seit du weg bist Ist alles was mir bleibt Grau in grau

Dann lag ich da in Drosendorf auf einem Plateau, wo auf einer Wiese, die von ur alten Mäuerchen umrahmt ist drei Liegestühle stehen, und sah vermeintlich eine Linde an. Die Schwalben flogen ihre Manöver, das Geräusch des Luftzuges der jungen Elitestaffel bewegte meine fedrigen Haare gefühlt bei jedem Vorbeiflug erneut, und ich sah diesen Baum an. Der sich als eine Freundschaft von sieben Linden herausstellte, wie ich am nächsten Tag bemerkte, als ich drunter auf einem genialen Holzplateau lag, von oben aber aussah, wie aus einem Guss.

Kriege eine Art Bedenken, dass aus meinem Leben zu schreiben, wenn ich es hier darlege. Nur: es muss einfach sein, denn wenn auch nur 7 Menschen Feuer fangen, sich dort ein Zimmer buchen, mit dem Reblaus-Express anreisen und bei Frau Linsbauer im Adeg ein Roggenbrot, Nähnadel oder Faden kaufen, den Griespudding mit Himbeermark beim Failler kosten, oder was Handfesteres geniessen, Mahlzeit prophylaktisch, die, gar nicht dilettantische Pizza im Pop-Up Restaurant in der Schlosstaverne verschlingen oder bei Leonardo im Terrassenbad in der Hängematte liegen, hoffend, dass das große Becken mit dem Sprungturm irgendwann einmal renoviert werden und wieder eingelassen wird, und dann zum Thayabad runter wandern und dem wirklich sehr schönen Fluss Hallo zu sagen, hab ich gewonnen und verloren gleichzeitig, die bestmögliche Variante, immer.

Ich kriege die berühmte Hallstadt & die Chinesen- Panik, nur beim Gedanken daran, gleich darauf folgt der nächste, Schlimme: Wenn mehr Menschen die Zauberhaftigkeit und ja, essentielle Notwendigkeit eines solchen Ortes erkennen, kann ich mir bestimmt nie wieder ein Zimmer dort leisten, aber ich muss das schreiben, weil ich weiß, Menschen, die so etwas nicht schätzen sondern konsumieren möchten, werden dort eh nichts finden, und so viele schlechte Bewertungen schreiben, dass Leute, die auf Befriedigung aus sind, das unter 'ach was, der nächste bitte' verbuchen werden. Da bin ich mir fast sicher. Außerdem hab ich das Schlossgespenst gefunden, und naja, es ist nicht zimperlich mit durchschnittlichen Existenzen, die unlautere Absichten oder gar Schreckliches planen, man munkelt, es wäre irgendein alter Bekannter von König Ottokar, der dessen erfolglosen Versuch, Drosendorf zu erobern durch eine List möglich gemacht hätte, einst, ich kann dazu nicht mehr sagen, außer: Nehmen Sie sich in Acht, wenn sie etwas haben wollen, dass ihnen nicht gehört, und die Besitzrechte sind nicht von Grundbüchern oder finanziellen Mitteln vergeben, nein, nein, die hier gemeinten Berechtigungen kommen aus anderen Sphären.

Ist, wie durch die Schwerkraft-Generatoren-Halle zu wandern, auf der Suche nach dem Bord-Ingenieur, der lt. Logbuch vor zehn Tagen aufgewacht sein sollte, dem man dringend eine wichtige Frage stellen muss, deren Beantwortung für die Sicherheit des gesamten Raumschiffes von enormer Bedeutung ist, und den man einfach nicht zu finden in der Lage ist, bis zum gefühlt echt nahezu letzten Moment, als man erschöpft und kapitulierend beschliesst, die automatische Versorgung der Grünlilien für zwei Tage zu unterbrechen, aus einem gewissen fatalistischen Eskapismus heraus, um ihnen als menschliches Gegenüber das Bedürfnis nach Nahrung und Ansprache ohne getakteter Zufuhr, nur aus Intuition und dem Zufall geborener Zuwendung zu erfüllen und ihm, beim Nachfüllen der Gießkanne auf einmal gegenüber steht, weil er das Pfeifen gehört und das Lied erkannt hat, das einem, ganz ohne dass man es bemerkt hätte, aus dem Lächeln geflogen ist.

Nur um zu erfahren, dass das Problem, weswegen man seit Tagen durchs Schiff streift, längst erkannt und gelöst wurde, der Ingenieur einer ist, der sehen kann, was ist, was nicht ist, und was sein sollte, die Art Mensch, denen man ein Schloss anvertrauen kann, und ein Raumschiff mit Besatzung, ein liebes, eigenartiges Kind, oder einen superschnellen Hund.

So liege ich am Plateau und schau den Baum an, da fällt mir mein zwanzig Jahre altes Lied ein, ich singe es in Gedanken und das kommt raus:

Blauer Himmel (audio/x-m4a, 593 KB)

Dieses war der erste Teil, und vielleicht werden weitere folgen, über Drosendorf-Zissersdorf, my love. :D

www.schloss-drosendorf.com

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