manzar almadinat aladhi 'ahlum bih
Ich sehe es vor meinem geistigen Auge, seit vielen Jahren. Eine Stadt, irgendwo in Mitteleuropa. Eine Modellstadt, die in die Geschichte eingeht, als Vorbild und Inspirationsquelle für das Zusammenleben in der Zukunft. So was wie Prospera, von dem die rich kids träumen, nur in echt und für alle. Kein Club der reichen Männer, die sicher kurz nach Auswahl der potentiellen Bewohner ihrer Enklave wieder so Sachen wie Frondienst, Leibeigenschaft und primae noctis einführen, kann man Gift drauf nehmen.
Nein, eine Stadt in der jeder willkommen ist, der einen Teil betragen möchte, und in der jene aufgefangen werden, die das nicht mehr in vollem Umfang können. Das Wissen gibt es, angefangen von Arbeitstherapie über Prothese, geschützte Werkstätten und Reintegrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt, die Chancen, dass die Schutzbedürftigenquote geringer wird, ist dank medizinischen Fortschritts und der Etablierung gewisser Inhalte gegeben. Wenn jetzt geteilt wird, und nicht den rich kids die restlichen Rohstoffe und das dafür eingetauschte Geld weiter in den Allerwertesten gestopft wird, ist es noch möglich.
Das ist eine Utopie, denn die Lust am Untergang und das allgemeines Jammern beherrschen weiterhin das Grundgefühl mehr, als konstruktive Pläne und Ideen.
Aber konkret werden. Wie könnte man die Autos verbannen? Auf welchem Wege?
Eben. Die Bequemlichkeit des Einzelnen ist Legion. Und dass eine Kaiserin auftaucht, das einfach bestimmt und dann durchsetzt, dazu ist es noch nicht schlimm genug gekommen.
Vor allem wüsste man ja gar nicht, ob sie es gut meint, ob sie für das Besiegen der Pocken ihr Leben riskiert, wie einst Katharina die Große, oder ob sie dann Krönchen und Perlschmuck hortet und Schminki schminki macht tagein, tagaus. Keiner kann in die Zukunft schauen.
Keiner?
Dieses Stadtbild also ist geprägt von Menschen, die mal eilen, mal flanieren, deren Lungen, von Feinstaub nicht verseucht, auch tief seufzen können, wenn vor ihnen ein Vogel am Bürgersteig ausruht, interessiert schaut, als man vorbei geht, ohne gleich erschrocken wegzufliegen. Weil man die Regenwürmer husten hören kann, und die Erzählungen der Schüchternen und das Lachen der Kinder.
Es wird ein babylonisches Sprachgewirr geben, und wer will, zückt seine Technik und plaudert mittels Übersetzer mit der Gemüsefrau oder dem Blumenmann. Es gibt Streit, die amerikanische Kresse kostet heute einen Euro der Stamm mehr als gestern, was soll das? Es wird geschrien und gebetet, es wird Bänke geben, auf denen Menschen sitzen und ihre Frühstücksbrote verzehren, Ort, an denen Großfamilien grillen und Hochbeete mit Blumen.
In diesem Stadtbild wird alten Männern mit Krückstock über die Schwelle geholfen, und die trainierten jungen Männer, begehrt von fröhlichen jungen Frauen, werden den Acker bestellen, in Tanktops, und kurzen Hosen, denn die Sommer werden heiß sein und das Korn wird hoch am Feld stehen. Die Gewitter werden heftig sein, doch die Modelle besser, vorherzusagen, wann sie auftreten, der Duft von frisch gebackenem Brot ohne Backtriebmittel wird durch die Gassen wehen, eine Kuh verirrt sich in den 16. Hieb, wo eigentlich nur die Hühner leben, denn die Tiere haben ihre Gettos, die Menschen nicht mehr. Jeder wird ein Wohnrecht haben, auf 35 Quadratmetern, von der Stadt verfügt, alles darüber hinaus wird er oder sie sich erarbeiten müssen.
Die glänzend strammen Wadeln vom vielen Radeln werden am
Donaukanal von der Brüstung baumeln und das Eis, das ihre Besitzer verspeisen
wird auf nackte Haut tropfen, ich werde es Dir vom Hals küssen, wenn Du dann
endlich da bist.
In diesem Stadtbild kommt ein Eichkätzchen und stiehlt den Rest meiner Waffel,
ich hab sie hingelegt, damit das kleine Tier sie nimmt, und so getan, als sähe ich es
nicht. Dein dunkles Haar, schon schütter, wird in der Sonne glänzen und Deine
wunderschönsten braunen Augen funkeln mich um die Wette mit dem Glitzern des
Wassers an, wir werden lachen, über die alten Zeiten und bedrückt derer gedenken,
die es nie gewagt haben, zu träumen.
Ich werde mir ein Falaffel holen und Du ein Kebap, wir setzen uns zu einer Gruppe
junger Männer an einen Parktisch, die zusammen rücken, um uns Platz zu schaffen.
Einer von ihnen, Achmed, wird uns erzählen, wie es war, damals in Krieg und
Hungersnot. Wie sie ihn anschliessend fangen wollten, dass auch er das Leben
eines Normalos eintauscht, gegen die Fortführung von Hass und Gewalt. Dass ihn
kurz vor knapp eine junge Frau, Ida, neben der er in der U-Bahn zu Sitzen
gekommen war, irgendwie eine Spur zu lange angeschaut hatte, weswegen er sie
angesprochen hatte und lieben lernte.
Sie sind schwarz gekleidet. Alle. Die billigen Klamotten sehen nur in schwarz gut
aus. Willst Du Farbe musst du blechen, wer hat schon das Geld?
Sie werden es haben, aber schwarz mögen sie immer noch. Sie arbeiten als
Techniker:innen, Handwerker:innen, Angestellte:r, Doktor:innen und Lehrer:innen.
Sie haben Kinder oder nicht, sie kochen, halten Ordnung, oder nicht immer. Es wird
sich ausgleichen, und Du wirst Dein Rad schnappen und nach Hause fahren, in den
Bezirk, wo die Schafe grasen. Meine Hood, dort wo man schon schauen muss, ob
das Stadtreinigungskommando die Kuhfladen ordentlich weggeputzt hat, dem man
selbst angehört, einmal pro Monat, für zwei Tage, wie jeder Stadtbewohner die
Verpflichtung hat, wird nach Schokolade duften, denn die Fabrik, in der die
überzogenen Maroni hergestellt werden, wird auf Hochbetrieb laufen, es ist
langsam Herbst geworden, die vielen roten und gelben Blätter kehren, darauf freue
ich mich schon, denn Agnes, mit der ich traditionell immer eingeteilt bin für den
Dienst am Volke, und ich haben die schönsten, inspirierendsten Gespräche über
Gott und die Welt, während wird vor uns hin rechen, aufkehren, zupfen und
waschen. Eine grüne Stadt ist viel Arbeit, gemeinsam macht das mehr Spaß.
Auch unsere Freundin Karin wird mit von der Partie sein, die alte Dame tut, was sie
kann, sie sagt immer, die körperliche Anstrengung an der frischen Luft tut ihr so gut,
sie ist dann für zwei Wochen viel fitter, wir sollen sie doch öfter zwischen dem
Arbeitsdiensten zu einem Spaziergang holen, und Agnes und ich versprechen es ihr
diesmal wirklich.
Dann rufst Du an, die Verwaltung hätte dich informiert, dass Deinem Ansuchen um
das kleine Lokal ums Eck stattgegeben wurde, in zwei Monaten könntest Du Dein
erstes, eigenes Geschäft eröffnen. Ich freue mich so für Dich, dass ich vor Schreck
auflege. Als das Telefon erneut klingelt, bin ich schon in den Schuhen und beim
Türe zusperren, weil ich zu Dir laufen will. Das gehört gefeiert, seit anderthalb
Jahren wartest Du auf den Platz, Dein Konzept ist schon fix und fertig
ausgearbeitet, du tüftelst seit Jahren an Deiner Selbstständigkeit. Es ist üblich, sich
mit Anfang/Mitte Zwanzig zu überlegen, ob man diesen Schritt wagen will, die
Fristen sind gestaffelt, je nachdem ob die Art des Betriebs für das Grätzel gerade
Vorrang hat oder nicht, aber da Du ja einen Job hast und sowieso die Wohnung von
der Stadt, konntest du sparen und warten. Ich freu mich dennoch so sehr, weil
dieser beginnende Herbst der perfekte Moment ist, für das Sprachcafé deiner
Träume, denn weit, weit weg ist wieder Krieg ausgebrochen, und eine große Anzahl
Menschen hat sich bereits auf den Weg gemacht, zu uns, hierher, weil sie gehört
haben von dieser Stadt, in der man eine zweite Chance kriegt, wo nicht das
Paradies auf Erden herrscht, aber fast, denn seit die Autos verbannt wurden, ist
soviel Raum entstanden, von dem zuvor niemand überhaupt zu träumen gewagt
hatte, außer ein paar irren alten Weibern, dass auch für jemanden wie Dich Platz
war, als Du mit 12 von daheim hast fliehen müssen, ohne Eltern, nur mit einer
Tante, die Du hier vermutet hast, und dann auch wiedergefunden, und dass Du jetzt
Dein Café eröffnen wirst, wo das Tandem-Konzept der Sprachaneignung mit
köstlichen, wöchentlich wechselnden Süßspeisen und Kaffee, Tee und Säften
kombiniert ein Ort werden wird, der Räume eröffnet, indem er Raum bietet.
Du öffnest Deine Türe, ich fall Dir um den Hals, und verspreche Dir, in guten, wie in
schlechten Zeiten an Deiner Seite mitzuhelfen, dann sagst Du leise:
'Mukashi mukashi, es war einmal ein alter, trauriger König. Er hatte die Liebe seines
Lebens nicht finden können, weil er sehr jung bereits vergessen hatte, seine Träume
zu prüfen. Und niemand sagte ihm die Wahrheit, denn der war sehr reich und sehr
mächtig geworden. Alle stieben um ihn herum wie Fliegen, wedelten seinen
schönen Kopf mit dem Staubfänger glänzend und schnürten seine Kehle mit dem
Hass den sie schürten immer weiter zu.
Er sah die dunkel gekleideten Männer eines fernen Landes, die in seinem Land
Zuflucht gesucht hatten, mit ihren, vom Feuer der Leidenschaft und der Wut
gegärten Augen, und bekam es dermaßen mit der Angst zu tun, dass er den Worten
der ihn bestätigenden, aus puren Eigeninteressen handelnden Untergebenen für
bare Münze nahm. Er sah nicht mehr, dass er in den Muskelmassen der jungen
Männer seine eigene, verlorenen Jugend erkannte, wie in einem Spiegel aus einer
anderen Dimension, und weil er das partout nicht sehen wollte, verflucht er diese
Menschen und gedachte, sie zu entfernen.
Eine kleine Anzahl trotziger Bewohner des Königreiches hatte allerdings gemerkt,
dass der König nicht aus weiser Überlegung, sondern aus Menschenfeindlichkeit
wegen eigener Schwächen handelte und dachte, und versuchte einen Gegenpol zu
schaffen. Leider waren unter den jungen, starken und fremden Menschen auch
welche, die einem anderen, bösen König dienten, der sich an ihrer Kraft auch nur
bereichern wollte, und dem sie in Wirklichkeit völlig egal waren, so war es nicht
einfach, dem traurigen König zu wiedersprechen.
Doch diese trotzigen, übrigens glücklicherweise auch sehr witzigen Bewohner,
konnten eine eines Tages tatsächlich eine Lösung für diese Angelegenheit finden,
און איך וועל דיר דערציילן וועגן דעם נעקסטן .denn Humor und Liebe überwinden alles
'!!Моя любовь ,מאָל, מיין ליבע
кінець
Nachtrag ps. zuerst stand als Überschrift 'Manzar almadinat alnazif' - hatte 'das Stadtbild meiner Träume' in google Übersetzer eingegeben, zurück übersetzt kommt dann 'blutendes Stadtbild' heraus. Das ist nicht in meinem Sinne, ist aber irgendwie bezeichnend. Es ist also doch alles bloß ne naive Utopie. Q.e.d.